Beyond Bulls & Bears

Ist Europas Konjunkturaufschwung die Luft ausgegangen?

Dieses Posting steht Ihnen in den folgenden Sprachen zur Verfügung: Englisch Holländisch Französisch Italienisch Polnisch

Nachdem Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), 2012 zugesagt hatte, „alles Notwendige“ zu tun, um den Euro zu retten, wurden in der Peripherie der Eurozone Sparprogramme eingeleitet. In der Folge war es mit Europas Volkswirtschaft nach der Weltfinanzkrise 2007-2009 und der anschließenden Staatsanleihenkrise größtenteils wieder aufwärts gegangen In den letzten Monaten scheint diese Erholung zum Stillstand gekommen zu sein. Einige Länder, unter anderem auch Deutschland, der Wachstumsmotor der Eurozone, nähern sich der Rezession. Heather Arnold, Director of Research, Portfoliomanagerin und Analystin der Templeton Global Equity Group™, äußert sich hier dazu, ob die jüngsten Anstrengungen der EZB, u. a. der Bankbilanztest (Asset Quality Review (AQR)) und die Stresstests Europa dazu verhelfen können, die Konjunktur neuerlich in Schwung zu bringen.

Heather Arnold
Heather Arnold

Heather Arnold, CFA®
Director of Research
Portfolio Manager, Research Analyst
Templeton Global Equity Group™

In Europa wird die Erholung durch die Mängel des Bankensystems aufgehalten, doch wir denken, dass die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank, nämlich der Bankbilanztest und die Stresstests, wichtige Schritte sind, dem entgegenzuwirken. Noch wichtiger ist, dass ab dem 4. November die Aufsicht von den Zentralbanken der Mitgliedstaaten auf die EZB übergeht, wovon wir uns mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Rechenschaftslegung im Banksektor versprechen. Unserer Einschätzung nach dürfte dies zu geringeren Spreads und niedrigeren Finanzierungskosten führen und auch eine weitere Bankenkonsolidierung fördern. Die Unterschiede zwischen den Kreditkosten in den verschiedenen Ländern Europas, insbesondere denen in der sogenannten Peripherie (d. h. Spanien, Irland, Portugal und Griechenland) und im Kern (insbesondere Deutschland), die auf dem Höhepunkt der Eurokrise deutlich größer geworden waren, sind durch die Maßnahmen der EZB wieder erheblich geschrumpft. Der Bankbilanztest hat gezeigt, dass die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Banken über eine angemessene Kapitalausstattung verfügt. Dies dürfte den Weg zu einem Neustart in dem für das reibungslose Funktionieren jeder Volkswirtschaft so wichtigen Kreditgeschäft der Banken ebnen. Darüber hinaus dürfte dadurch auch das Vertrauen in den europäischen Banksektor gestärkt werden, an dem es bislang so sehr mangelte.

Die EZB hat eine sehr wichtige Rolle übernommen, indem sie im gesamteuropäischen Bankensystem für Liquidität und Solvabilität gesorgt hat. Indem die EZB dazu beiträgt, die Finanzierungskosten für Banken in den Peripherieländern zu senken, dürfte Kapital europaweit bezahlbar bleiben. Was noch zu sehen sein wird, ist, inwieweit die EZB bereit ist, wirklich „alles Notwendige“ zu tun, nämlich ihre Bilanz durch aggressive quantitative Lockerung zu erhöhen, um den Euro abzuwerten und – so die Hoffnung – die Reflation ihres Systems zu bewirken (wenn denn solche Keynes’schen Maßnahmen tatsächlich funktionieren). Im Vergleich zur Federal Reserve in den USA und zur Bank of Japan ist die EZB hier ganz klar der Nachzügler. Bislang scheint dies die Wirkung gehabt zu haben, dass die Regierungen in Europa unter Druck blieben, die so dringend benötigten Strukturreformen durchzuziehen.

Konjunkturaufschwung in Europa außer Atem 

Europas Konjunkturaufschwung ist die Luft ausgegangen. Es scheint, dass dies mit der Abkühlung in den Schwellenländern begann, die bislang ein wichtiger Abnehmer für europäische Exporte und Dienstleistungen waren. Auch der anhaltende Konflikt in der Ukraine drückt auf die Stimmung. Was uns jedoch für Europa eingenommen hat, waren schon immer die sehr überzeugenden Bewertungen. Die jüngst – insbesondere im Vergleich zur relativen Stärke des US-Markts – gesehene Schwäche ist unserer Einschätzung nach allenfalls ein weiteres Argument für den Wert europäischer Aktien.

Europa hat bislang sowohl unter konjunkturellen als auch strukturellen Problemen gelitten. Trotz des schweren Konjunktureinbruchs nach der Finanzkrise 2007-2009 und der anschließenden eher flauen Erholung, sind wir davon überzeugt, dass die Konjunktur anziehen wird. Diesen Glauben an eine „Normalisierung“ berücksichtigen wir in den Finanzmodellen, die wir für Unternehmen bezogen auf einen Anlagezeitraum von fünf Jahren erstellen. Gerade weil der Konjunkturrückgang so gravierend war, hat Europa einige seiner Strukturprobleme gelöst. Wie bereits gesagt wurde, hat jetzt auch die strukturelle Verbesserung des Banksektors begonnen. Länder wie Spanien, Irland, Portugal und Griechenland haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert, indem sie ihre Schulden, ineffizienten Arbeitsmärkte und Sozialleistungen reformiert haben. Italien scheint sich jetzt an die Arbeit zu machen, und Frankreich wird hoffentlich auch bald folgen.

Was unsere Modelle angeht, so hat die jüngste Abkühlung einige Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Energie und zyklische Konsumgüter schwer getroffen, was zum Teil auf die Konjunkturschwäche in Europa, aber auch auf die Abkühlung in den Schwellenmärkten und in Asien zurückzuführen war. Interessanterweise haben sich kaum Auswirkungen auf unsere Bankmodelle ergeben. Einige kleine Veränderungen bewirken jedoch in der Regel keine Veränderungen hinsichtlich der Argumente, die für unsere Anlagen sprechen. Die meisten unserer Positionen basieren auf überzeugenden Bewertungen, soliden Bilanzen sowie starkem Anstiegs- und Wachstumspotenzial.

An diesem Punkt sei an ein aufschlussreiches Zitat von Sir John Templeton erinnert: „Die Leute fragen mich ständig, wo die Aussichten gut sind. Doch sie stellen die falsche Frage. Die richtige Frage ist: Wo sind die Aussichten am schlechtesten?“

Wir sollten nicht vergessen, dass China über mehr als zehn Jahre eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt war – und dennoch einer der am schlechtesten abschneidenden Aktienmärkte. Das liegt ganz einfach an der Bewertung – und in Europa liegen die Bewertungen zurzeit 40% unter denen im US-Markt.[1] Tatsächlich sind, wenn man auf die zyklisch angepassten langfristigen Erträge abstellt, derzeit neun der zehn billigsten Aktienmärkte in Europa zu finden.[2] Europa wird bezüglich mehrerer Kennzahlen zu einem deutlichen Abschlag gegenüber den USA gehandelt, unter anderem auch bezüglich des Verhältnisses von Marktkapitalisierung zu BIP, wo der Abschlag extrem ist: Die Marktkapitalisierung der europäischen Unternehmen beläuft sich auf etwa 40% des europäischen BIP, in den USA sind es dagegen 120%.[3] Die durchschnittlichen Dividendenrenditen europäischer Aktien bewegen sich im Vergleich zu als Referenz dienenden Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen auf Rekordhöchstständen.[4]

guenstigste regionen 1

durchschnittliche div rendite

Was die Erholung angeht, so lag Europas Anteil per 31. August 2014 an den globalen Erträgen im MSCI World Index auf dem niedrigsten Stand seit 28 Jahren.[5] Bei den europäischen Unternehmensanleihen gibt es hinsichtlich der Einnahmen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern und einen hohen Gewinnhebel, was unserer Einschätzung nach letztendlich der Gewinnerholung förderlich sein dürfte. Da die Region exportorientiert ist, dürfte sie nicht nur vom überraschend starken Wachstum in den USA, sondern auch von einer Abwertung des Euro profitieren. Außerdem stehen Europa sowohl geld- als auch haushaltspolitische Mittel zur Konjunkturförderung zur Verfügung, die noch nicht alle voll eingesetzt wurden.

Wir entdecken überall in Europa gute Chancen, vor allem aber im Energiesektor, der zuletzt schwächelte. Trotz ihrer bisherigen Erholung sind auch die Finanzwerte, die sich unserer Einschätzung nach weiter erholen dürften, noch billig zu haben. Auch bei Aktien aus dem Pharma- und Gesundheitssektor sehen wir noch viel Wachstumspotenzial, das sich unseres Erachtens derzeit noch nicht in den Bewertungen niedergeschlagen hat.

Möchten Sie gerne von Franklin Templeton Investments per E-Mail auf dem Laufenden gehalten werden? Dann sollten Sie unseren Blog Beyond Bulls & Bears abonnieren.

 

Die Kommentare, Meinungen und Analysen dienen ausschließlich zu Informationszwecken. Sie dürfen nicht als eine individuelle Anlageberatung oder Empfehlung, in ein Wertpapier zu investieren oder eine bestimmte Anlagestrategie zu verfolgen, aufgefasst werden. Da sich Markt- und Konjunkturbedingungen schnell verändern können, gelten Kommentare, Meinungen und Analysen nur für den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags. Sie können sich ohne Ankündigung ändern. Dieses Material soll keine vollständige Analyse aller wesentlichen Fakten in Bezug auf ein Land, eine Region, einen Markt, eine Branche, eine Anlage oder Strategie darstellen. 

Alle Anlagen sind mit Risiken behaftet, inklusive des möglichen Verlusts der Anlagesumme. Ausländische Wertpapiere bringen spezielle Risiken mit sich, darunter Wechselkursschwankungen, wirtschaftliche und politische Ungewissheit. Anlagen in Schwellenländern sind mit erhöhten Risiken in Bezug auf dieselben Faktoren verbunden. Hinzu kommen die durch ihre kleinere Größe, ihre geringere Liquidität und den nicht so fest gefügten rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmen zur Stützung der Wertpapiermärkte bedingten Gefahren. 

 


[1] Quelle: JPMorgan, MSCI, Stand: Juli 2014. MSCI gibt keine Gewährleistung und übernimmt keinerlei Haftung für hierin wiedergegebene MSCI-Daten. Eine Weiterverbreitung oder weitere Nutzung ist nicht zulässig. Dieser Bericht wurde von MSCI weder erstellt noch unterstützt. Nähere Angaben zum Datenanbieter auf www.franklintempletondatasources.com.

[2] Quelle: Credit Lyonnais Securities Asia (CLSA), MSCI, FactSet, Stand: 31. August 2014. MSCI gibt keine Gewährleistung und übernimmt keinerlei Haftung für hierin wiedergegebene MSCI-Daten. Eine Weiterverbreitung oder weitere Nutzung ist nicht zulässig. Dieser Bericht wurde von MSCI weder erstellt noch unterstützt.

[3] Quelle: BCA Research, Juli 2014.

[4] Quelle: FactSet, Barclays, MSCI, Stand 30. September 2014. MSCI gibt keine Gewährleistung und übernimmt keinerlei Haftung für hierin wiedergegebene MSCI-Daten. Eine Weiterverbreitung oder weitere Nutzung ist nicht zulässig. Dieser Bericht wurde von MSCI weder erstellt noch unterstützt.

[5] Quelle: MSCI, Thomson Datastream, SG Cross Asset Research/Equity quant, per 31. August 2014. MSCI gibt keine Gewährleistung und übernimmt keinerlei Haftung für hierin wiedergegebene MSCI-Daten. Eine Weiterverbreitung oder weitere Nutzung ist nicht zulässig. Dieser Bericht wurde von MSCI weder erstellt noch unterstützt.