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Wie stehen die Chancen für einen Kompromiss in Griechenland und den „Grexit”

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Der Sieg der Partei Syriza in Griechenland räumte eine Marktunsicherheit aus, rief jedoch viele andere hervor. Drei Experten bei Templeton Global Equity Group™, Norm Boersma, Cindy Sweeting und Heather Arnold, geben erste Einschätzungen, ob die neue Regierung zu einem Kompromiss mit Kreditgebern kommen und trotzdem in der Eurozone bleiben kann.

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Heather Arnold, Director of Research, Portfolio Manager, Research Analyst
Templeton Global Equity Group
Cindy Sweeting
Cindy Sweeting, Director of Portfolio Management
Templeton Global Equity Group
Norm Boersma
Norm Boersma, Chief Investment Officer
Templeton Global Equity Group

 

Was geschah bisher?

Vor der Hintergrund einer wachsenden Unzufriedenheit über die Bedingungen der Griechenlandrettung [auferlegt von der „Troika” der Kreditgeber bestehend aus der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds] scheiterte das griechische Parlament im Dezember 2014 an der Wahl eines Präsidenten. Daraufhin wurde das Parlament aufgelöst und Neuwahlen wurden für den 25. Januar 2015 angekündigt.

Wie erwartet erlangten Griechenlands linksgerichtete Sparmaßnahmengegner der Partei Syriza die meisten Stimmen in der kürzlich abgehaltenen Wahl, doch das Ausmaß der Stimmenmehrheit übertraf die Markterwartungen. Kurz darauf kündigte Syriza eine Koalition mit der stark rechts orientierten Partei Independent Greeks – ebenfalls Sparmaßnahmengegner – an. Eine enttäuschende Entwicklung, hätten doch die Märkte einen Koalitionspartner näher an der politischen Mitte vorgezogen, der Syrizas lautstarke Forderungen vielleicht abfedern könnte.

Das derzeitige Szenario wirft zwei grundlegende Fragen für globale Aktienanleger auf.

Erstens: Kann eine Koalition, die die Bedingungen der Rettung durch die Troika zurückweist und seiner Wählerschaft Sozialleistungen verspricht, die unerschwinglich sein dürften, einen Kompromiss mit den Kreditgebern finden, sodass weiterhin Hilfsmittel fließen und Griechenland in der Europäischen Währungsunion bleiben kann?

Zweitens: Sollte dies nicht möglich sein, wie könnte sich dann der Austritt Griechenlands („Grexit”) auf die europäischen Finanzmärkte und im Weiteren auf globale Aktien auswirken?

Wie könnte es weitergehen?

Insgesamt war das Wahlergebnis schlechter als erwartet und die aktuelle Regierung hat nun den Auftrag, sich gegenüber der Troika der Kreditgeber durchzusetzen. Syriza bekräftigt jedoch, ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone sei nicht beabsichtigt und Umfragen zufolge stimmt die Mehrheit der griechischen Bevölkerung dem zu.

Wir wissen zwar nicht, wo diese Situation letztendlich hinführt, möchten aber anmerken, dass offenbar ein gemeinsames Interesse daran besteht, eine Lösung zu finden. Als Teil eines vorstellbaren Kompromisses könnte die Troika eine moderate Umschuldung und reduzierte Sparauflagen anbieten, wenn Griechenland seine Forderungen nach Schuldenabschlägen und seine extrem hohen Ausgaben zurückfährt.

Möglicherweise verlängert die Troika in den nächsten Tagen den Zeitrahmen für die geplante Überarbeitung des Rettungsprogramms für Griechenland. Es würde uns jedoch überraschen, wenn die Kreditgeber Griechenland neues Geld anbieten, bevor die neue Regierung ihre Absichten hinsichtlich der enormen Schuldverpflichtungen des Landes bekannt gibt. Die entsprechende Verhandlungsposition ist unserer Meinung nach besser für die Troika. 2015-2016 wird ein hoher Finanzierungsbedarf in Griechenland erwartet und die griechischen Banken sind abhängig von wohlwollenden Finanzierungsvereinbarungen mit der EZB. Zunehmende Kapitalabflüsse und wachsende wirtschaftliche Ungewissheit drücken die Steuereinnahmen und so dürfte die griechische Regierung nicht in der Lage sein, ohne die Hilfe der Troika die Schulden zu refinanzieren oder für die versprochenen Sozialleistungen aufzukommen.

Wir halten einen Kompromiss für wahrscheinlich, halten aber auch eine Vielzahl unerwarteter Entwicklungen in der Vergangenheit fest. Syriza ist eine echte Linkspartei, wie seit vielen Jahren keine mehr ein größeres europäisches Land regiert hat, und nach wie vor könnte die neu bestärkte Führungsriege (mit dem Risiko des Schuldnerausfalls) auf seine Forderungen bestehen, die schlichtweg inakzeptabel für die Spitze der Troika und die breitere deutsche Wählerschaft sind.

Was bedeutet das für Templeton-Portfolios?

Seit 31. Dezember 2014 besteht nur bei einer unserer Portfoliostrategien ein kleiner Anteil der Werte aus direkten Engagements in Griechenland. Zwar könnte es unseren beträchtlichen Anlagen in der Eurozone schaden, wenn Griechenlands Instabilität auf andere Volkswirtschaften und Märkte der Region übergreift, wir glauben aber, dieses Szenario ist aufgrund der starken Schutzmechanismen des Blocks unwahrscheinlich.

Die Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)[1] und einer Bankenvereinigung in der Region gepaart mit geldpolitischen Mitteln wie Outright Monetary Transactions[2] und Ankäufen von Staatsanleihen im Rahmen der quantitativen Lockerung müsste Europa unserer Ansicht nach viel widerstandsfähiger gegen negative Einflüsse machen, als es zu Beginn der regionalen Schuldenkrise war.

Griechenland erzeugt weniger als 2% des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone[3] und griechische Anlagen wurden größtenteils aus den Bankbilanzen der Eurozone ausgeschlossen. Auch dies legt nahe, dass jegliches Übergreifen der Probleme auf das weitere Umfeld begrenzt bleiben dürfte. Der Markt scheint das erkannt zu haben und reagierte am Montag nach den Wahlen mit Gelassenheit auf das enttäuschende Wahlergebnis. Deshalb erwarten wir abgesehen von der kurzfristigen Beeinträchtigung des Marktvertrauens keine bedeutenden negativen Langzeitwirkungen der aktuellen Ereignisse in Griechenland auf unseren Anlagehorizont.

 


[1] Outright Monetary Transactions bezeichnet ein im September 2012 angekündigtes Anleihenankaufprogramm, bei dem die EZB kurzfristige Anleihen der Euroländer am Sekundärmarkt ankauft, um die Marktzinssätze für Länder zu senken, über deren Euroaustritt spekuliert wird.

[2] Der im Februar 2012 ins Leben gerufene Europäischen Stabilitätsmechanismus ist der dauerhafte Mechanismus zur Krisenbewältigung für die Länder des Euroraums. Der ESM gibt Schuldinstrumente aus, um Kredite und andere Formen der finanziellen Unterstützung für die Mitgliedstaaten des Euroraums zu finanzieren.

[3] Quelle: Eurostat. Basierend auf geschätzten Daten für das Bruttoinlandsprodukt Q3 2014 zu laufenden Preisen. Daten zum Stand vom Donnerstag, 22. Januar 2015.