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Anleihen

Meine Gedanken zur aktuellen Lage: Modern Magical Thinking

In Kreisen von Wirtschaft (und Politik) hat die „Modern Monetary Theory“ in letzter Zeit für einiges Aufsehen gesorgt. Was ist die MMT? Und hat sie Vorteile? Laut Sonal Desai, Chief Investment Officer von Franklin Templeton Fixed Income, ist sie nicht nur potenziell gefährlich, sondern bietet auch geistigen Nährboden für Populismus

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Letzte Woche sah ich an der Stanford University, wie Professor Mark Duggan den Vorsitzenden der US-Notenbank (Fed) Jay Powell zögerlich nach seiner Meinung zur Modern Monetary Theory (MMT) fragte. Die MMT wird von einige Schwergewichten scharf kritisiert, darunter der frühere US-Finanzminister Larry Summers, der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ken Rogoff, Nobelpreisträger Paul Krugman und John Cochrane von der Stanford Universität. Sie ist ein unvermeidliches Gesprächsthema geworden. Zudem verdient alles, was weit auseinander liegende Ökonomen wie Cochrane, Summers und Krugman vereint, der Beachtung. Schauen wir uns das mal an.

Sollten Sie versucht sein, mehr über die MMT zu erfahren, so seien sie gewarnt: Es gibt zahllose Bücher und Artikel zu dem Thema, und sogar Powell gab zu, dass sich die MMT nur schwer genau skizzieren lasse. Die Website „New Economic Perspectives“ bietet eine Fibel, doch diese umfasst 52 Blogs. Stephanie Kelton, eine führende Befürworterin, gibt in einem aktuellen CNBC-Video einen klareren und präziseren Überblick. (Sie ist Professorin für Wirtschaftswissenschaft an der Stony Brook University und war 2016 Beraterin von Bernie Sanders im Präsidentschaftswahlkampf.)

Ich stelle mir MMT als Formwandler vor. Sie präsentiert sich als Sammlung vernünftiger Grundsätze und verwandelt sich dann zu gefährlichen politischen Ideen, weshalb so viele prominente Ökonomen nun eher alarmiert als geringschätzig klingen.

Die Kernlehren der MMT lauten: (1) Der Staat hat ein Monopol auf die Ausgabe der nationalen Währung. (2) Im Gegensatz zu privaten Haushalten oder Unternehmen unterliegt der Staat keinen Budgetbeschränkungen; ihm kann niemals das Geld ausgehen, da er Geld drucken kann. (3) Die Ausgabenkompetenz des Staates wird nur beschränkt, wenn er übermäßige Inflation erzeugt.

MMT-Befürworter argumentieren, dass der Staat öffentliche Ausgaben und Steuern einsetzen sollte, um möglichst viel Beschäftigung und eine stabile, moderate Inflation zu erzeugen. Die meisten orthodoxen Ökonomen würden dem zustimmen. Stephanie Kelton argumentiert richtigerweise, dass ein Staat, falls er Investitionen in Bildung, Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung über ein deutliches Haushaltsdefizit finanziert, das langfristige Wachstum ankurbeln kann, so dass die in dem Prozess angehäuften Schulden kein Problem sein werden. Auch dem würden die meisten orthodoxen Ökonomen zustimmen.

Aber hier kommt es zur Formwandlung: Für die MMT sind Staatsschulden nicht von Belang. Überhaupt nicht.

MMT-Befürworter weisen darauf hin, dass Japan Schulden in Höhe von 240 % des BIP (Bruttoinlandsprodukt) und keine Inflation aufweist. Für sie lehrt uns Japan eine sehr wichtige Lektion, und sie meinen das nicht als abschreckendes Beispiel. (Sie sind vermutlich die einzigen, die Japan als nachahmenswertes Vorbild ansehen.)

In den vergangenen 15 Jahren ist die Staatsverschuldung in den Industrieländern mit Ausnahme Deutschlands bereits drastisch gestiegen.

Sollten wir deswegen in Sorge sein? Nun, riesige Schuldenbestände müssen umgeschuldet und neue Defizite finanziert werden. Dies bedeutet ein riesiges Angebot an Staatsanleihen, das private Investments verdrängen kann. Plus höhere Staatsausgaben für Zinszahlungen auf diese Schulden.

In den vergangenen Jahren wurden die Fremdkapitalkosten durch die quantitative Lockerung (QE) niedrig gehalten. Zwischen 2008 und 2016 gingen die Kosten für den Schuldendienst in den USA zurück, obwohl die Staatsverschuldung stieg.

Doch das war eine Anomalie. Die Zinszahlungen auf Schulden sind seitdem bereits gestiegen, und falls die Zinssätze, wie ich erwarte, weiter steigen, werden sie noch stärker zunehmen.

Anhänger der MMT würden sagen, dass auch dies nicht von Belang ist. Man kann das Defizit weiter anwachsen lassen und noch mehr Anleihen begeben. Falls der Hunger der Anleger auf Staatsanleihen nachlässt, kann die Zentralbank für die Finanzierung des Defizits einspringen.

So kann die MMT zur Rechtfertigung jeglicher zusätzlicher Staatsausgaben genutzt werden. Kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, ein garantiertes Einkommen auch für Menschen, die nicht arbeiten wollen, usw. Das muss nicht mehr über höhere Steuern finanziert werden. Das kann durch die Ausgabe weiterer Schuldtitel finanziert werden, möglicherweise gestützt durch Anleihenkäufe der Zentralbank. Letztlich kann dem Staat niemals das Geld ausgehen – er kann es drucken. Solange dies keine Inflation verursacht. Aber die MMT-Befürworter behaupten, dass Inflation für die USA kein ernstes Risiko ist – niemals. Stephanie Kelton argumentiert in ihrem Video, dass „es wirklich kaum vorstellbar ist“, dass Übernachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in den USA jemals ein Inflationsproblem verursachen wird. Der Staat sollte daher mit vollen Händen Geld ausgeben und die Fed zur Finanzierung des Defizits bereitstehen.

Man könnte einwenden, dass das letzte Land, das diesen Weg einschlug, Venezuela war, und dies wirklich ohne besonderen Erfolg. MMT-Anhänger werden entgegnen, dass die USA anders sind, da sie im Gegensatz zu Venezuela und allen anderen US-Dollar drucken können. Der US-Dollar ist die weltweite Reservewährung, argumentieren sie, und der Rest der Welt wird immer noch mehr davon wollen. „Wir geben aus, ihr habt das Problem“, könnte man in Anlehnung an den früheren US-Finanzminister John Connally sagen.[1] Sie ignorieren einfach, dass dem nicht immer so war. Es war der Rest der Welt, der sich für den US-Dollar als weltweite Reservewährung entschied, nachdem jahrzehntelange wachstumsfördernde, verantwortliche Politik den Dollar zur stabilen Währung der stärksten Volkswirtschaft gemacht hatte. Falls sich die US-Politik drastisch ändert, könnte der Rest der Welt seine Präferenzen auf andere Reservewährungen verlagern (es sind bereits einige Konkurrenten im Rennen). Die Auffassung, dass es die Entscheidung der USA sei, den US-Dollar als weltweite Reservewährung zu haben, ist zutiefst irrig.

Falls man der Ansicht ist, dass das einzige potenzielle Risiko übermäßiger Staatsausgaben nachfragebedingte Inflation ist und das niemals wieder geschehen wird, dann wird die Fantasie eines Politikers, wie noch mehr Geld ausgegeben werden kann, die einzige Grenze für Staatsausgaben sein.

Man riskiert dann, die Angebotsseite der Wirtschaft zu übergehen und den Schaden zu unterschätzen, den übermäßige Staatsausgaben bei Anreizen und Ressourcenallokation anrichten können. Der große Vorteil von Budgetbeschränkungen liegt darin, dass man sich auf den besten Verwendungszweck für das ausgegebene Geld konzentrieren muss.

Und hier wird die MMT gefährlich.

Durch das Argument, der Staat unterliege keiner Budgetbeschränkung, wird die MMT zum geistigen Nährboden für Populismus.

Sowohl in den USA als auch in Europa sind Politiker zunehmend anfällig für einfache Lösungen und schmerzlose Rezepte: Austritt aus der EU (Brexit); Überzeugung der EU, mehr Geld ausgeben zu dürfen, u. a. für ein „Bürgereinkommen“ (Italien); Ausschluss ausländischer Arbeitnehmer und kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung für alle (USA).

Die Bevölkerung wiederum wendet sich viel bereitwilliger unorthodoxen Vorschlägen und Kandidaten zu.

Die Angst vor nachteiligen Folgen ist zusammen mit dem Respekt vor Fachleuten verschwunden. Das QE heizte die Inflation nicht an, und der Brexit löste keine Rezession aus. Wer also sagt, dass es kein Grundeinkommen für alle geben und Wohlstand nicht aus der Druckerpresse kommen kann? Es gibt keinen Hang, schwierige Kompromisse zu diskutieren und zu akzeptieren, dass Erfolg in einer globalen Wirtschaft mit mehr Wettbewerb harte politische Entscheidungen und Strukturreformen verlangt, um Innovation und Produktivität zu fördern.

Dies weist zwei Arten von Risiken auf, die uns als Bürger und als Anleger stark betreffen.

Erstens birgt eine fehlende Bereitschaft, harte Entscheidungen bei Bildung, Infrastruktur und Staatsausgaben zu treffen, die Gefahr, dass das langfristige Wachstumspotenzial der Industrieländer gerade dann ausgehöhlt wird, wenn technologische Fortschritte uns bei der Steigerung der Produktivität helfen können. Dies hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Wertentwicklung von Finanzanlagen und würde die geopolitischen Spannungen, die bereits eine große Quelle von Marktvolatilität sind, erhöhen.

Zweitens steigt das Risiko, dass etwas richtig schiefgeht, exponentiell an, da Politiker und Wähler selbstgefällig werden und ausgefallene politische Maßnahmen begrüßen. Es könnte zu einer größeren Staatsschuldenkrise, einer neuen Finanzkrise, einem Anstieg der Inflation oder einer langen Flaute in einer großen Volkswirtschaft kommen. Dies sind nur Tail-Risiken. Doch wenn die Verteilung politischer Vorschläge lange, dicke Enden herausbildet, dann steigen die Tail-Risiken entsprechend.

Daher sollten wir als Anleger uns um das Aufkommen des Modern Magical Thinking ebenso sorgen wie Cochrane, Summers, Rogoff und Krugman.

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Alle Anlagen sind mit Risiken verbunden, einschließlich des potenziellen Verlusts des Anlagekapitals. Der Wert von Anlagen kann fallen oder steigen, und Anleger erhalten möglicherweise nicht den vollen Anlagebetrag zurück. Anleihenkurse entwickeln sich im Allgemeinen in die den Zinsen entgegengesetzte Richtung. Wenn sich also die Anleihenkurse in einem Investmentportfolio an steigende Zinsen anpassen, kann der Wert des Portfolios sinken.

[1] Kurz nach seiner Ernennung zum Finanzminister 1971 traf sich Connally mit einer Gruppe europäischer Finanzminister, die ihre Sorge zum Ausdruck brachten, die USA exportierten über den Dollar Inflation in den Rest der Welt. Seine berühmte Antwort lautete: „Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem.“