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Hier einige der Höhepunkte des Gesprächs heute:
- „Nach meiner Auffassung steht Bidens Umweltpolitik sehr viel mehr im Einklang mit der Umweltpolitik in Europa, und sein diplomatisches Auftreten und seine Beziehungen zu Europa werden für die Welt im Allgemeinen positiv sein.“ – Katrina Dudley
- „In Europa verhängen fast alle Länder verschieden strenge Lockdowns. In Europa wird es einen W-förmigen Wachstumspfad geben. Dies bedeutet, dass mehr geldpolitische und fiskalische Anreize nötig sein werden, um hierauf zu reagieren.“ – David Zahn
- „Bei Europa denken die meisten Anleger an Banken und große Ölgesellschaften, und diese beiden Sektoren sind mittlerweile nur noch ein kleiner Teil des Marktes. Europa investiert und hat viel Innovation und Wachstum in Technologieunternehmen, in Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich, hinter denen viel Innovation steht. Und es gibt dort einen sehr, sehr dominanten Luxusgütersektor. Diese Wachstumsbereiche werden nach meiner Ansicht von manchem unterschätzt.“ – Katrina Dudley
- „Nach meiner Auffassung ist Biden ein Politiker, den die Europäer vielleicht etwas besser verstehen können als den vorherigen Präsidenten. Aus diesem Blickwinkel dürften die Diskussionen vermutlich etwas zielführender werden. Insgesamt dürfte dies bedeuten, dass es ein besseres Einverständnis zwischen den USA und Europa und gemeinsame Schritte nach vorne geben wird.“ – David Zahn
Transkript:
Stephen Dover: Katrina, kommen wir gleich zum Thema. Inwieweit betrifft das Wahlergebnis nach Ihrer Einschätzung Europa, und welche Rolle spielen hierbei die anderen Nachrichten über den Impfstoff?
Katrina Dudley: Am Wochenende wurde Biden zum Wahlsieger erklärt. Gleichzeitig gab es die Nachrichten über den Impfstoff. Gestern war für die europäischen Märkte ein richtig starker Tag, und es ist sehr schwierig, beide Dinge voneinander zu entkoppeln. Doch die Unsicherheit darüber, wer das Sagen haben wird, löste sich auf, und es kamen positive Nachrichten über den Impfstoff. Und beides ist gut für Europa.
Stephen Dover: David, wie lautet Ihre Einschätzung zu Anleihen oder Konjunktur? Welche Auswirkungen haben die Wahl und die Nachrichten über den Impfstoff?
David Zahn: Nach meiner Auffassung war die Reaktion auf den Präsidenten in Europa etwas entspannter, denn im Anleihenbereich gab es kaum Bewegung, bis um 12 Uhr europäischer Zeit die Meldung über den Impfstoff kam. Danach entwickelten sich die Kreditspreads viel besser, die Spreads von Peripherieländer-Staatsanleihen, aber insgesamt stiegen die Zinssätze. Nach meiner Auffassung reagierte der Anleihenmarkt eher auf den Impfstoff und nicht unbedingt auf die Präsidentenwahl.
Stephen Dover: David, in Europa gibt es eine neue Welle von [COVID-19-] Infektionen. Wie ist der Ausblick für das europäische Wachstum in Anbetracht der neuen Lockdowns?
David Zahn: In Europa verhängen fast alle Länder verschieden strenge Lockdowns. Manche sind regional, manche landeweit, aber bei weitem nicht so aggressiv wie im März. In Europa wird es einen W-förmigen Wachstumspfad geben. Im dritten Quartal setzte eine Erholung ein. Es wird wieder abwärts gehen, und wir werden langsameres Wachstum sehen. Dies bedeutet, dass mehr geldpolitische und fiskalische Anreize nötig sein werden, um hierauf zu reagieren.
Stephen Dover: Katrina, welche Länder, welche Branchen oder Unternehmen werden nach den gestrigen Nachrichten über den Impfstoff nach Ihrer Auffassung am meisten vom Impfstoff profitieren?
Katrina Dudley: Märkte wie Spanien erholten sich sehr kräftig nach der Impfstoff-Nachricht, doch wir sollten mal halblang machen. Nicht Spanien als Land startet zwangsläufig durch. Es sind die Bestandteile des spanischen [Aktienmarkt-] Index. In Spanien gibt es viele Banken. Das sind die typischen Value-Titel, und Value legte aufgrund der Impfstoff-Nachrichten eine kräftige Rally hin. Es gibt aber auch Unternehmen am spanischen Markt, die sehr stark mit der Reisebranche verzahnt sind. Fluggesellschaften beispielsweise hatten einen sehr guten Tag. Und eine weitere Aktie, die ein sehr starker Performer war, ist eine in Spanien notierte Hotel-Aktie. Auch wenn der spanische Markt nicht unverhältnismäßig stark vom Impfstoff profitiert, profitiert er so viel wie der Rest Europas auch. Die Rally von gestern betraf allerdings nur die Bestandteile dieses Marktes.
Stephen Dover: Das ist ein interessanter Punkt. David, nun zum Euro. Seit der Talsohle der Pandemie hat er sich natürlich erholt, aber wie schätzen Sie die Zukunft des Euro gegenüber anderen Währungen ein?
David Zahn: Nach meinem Dafürhalten gibt es in Europa einige Änderungen, die die Einstellung zum Euro weltweit verändert haben. Hier ist vermutlich vor allem das EU-Rettungspaket dieses Jahres zu nennen, bei dem die EU erstmals selbst Schuldtitel begibt und Ländern in ganz Europa Zuwendungen gewährt. Das gab es bisher noch nie. Doch dies wird nach meiner Auffassung einen viel größeren Pool von Anleihen und EU-Anleihen schaffen, die andere Zentralbanken kaufen möchten. Daher bin ich der Auffassung, dass der Euro generell zu einer besseren Reservewährung wird. Der Euro wird sich nach meiner Ansicht gegenüber dem US-Dollar teilweise deshalb verteuern, weil sich der Dollar vermutlich etwas abschwächen wird. Aber ich bin auch der Meinung, dass das Projekt Euro künftig mehr Vertrauen genießen wird.
Stephen Dover: Nun zurück zu den Wahlen. Der kommende Präsident Biden sagte, dass es bei ihm einige Änderungen geben wird, vielleicht in den Beziehungen zu Europa, einschließlich des Handels, den Beziehungen zur NATO, und einen erneuten Beitritt zur WHO. Katrina, wenn die USA der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, wieder beitreten, welche Auswirkungen für Europa wird das haben, oder welche anderen Folgen könnten die Änderungen unter Präsident Biden haben?
Katrina Dudley: Die USA hatten unter unserem vorherigen Präsidenten eine viel angespanntere Beziehung mit einigen unserer traditionellen Verbündeten vor allem in Europa. Es gab eine Eskalation der Handelsspannungen nicht nur zwischen den USA und Europa, sondern auch den großen Streit zwischen den USA und China. Der kommende Präsident spricht davon, der WHO wieder beizutreten, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten und es erneut zu unterschreiben. Und die USA werden sich wieder viel stärker als Mitglied der NATO einbringen. In Bezug auf die WHO dürfte ein erneuter Beitritt aus meiner Sicht bedeuten, dass die Verteilung des Impfstoffes in der ganzen Welt und den einzelnen Ländern auf sehr viel gerechterer Grundlage erfolgen wird, und nicht zuerst in den USA und dann im Rest der Welt. Aus Sicht der Gesellschaft und der Gerechtigkeit ist dies ein sehr, sehr positiver Teil von Bidens Programm.
Stephen Dover: David, was erwarten Sie von einer Biden-Präsidentschaft? Wie könnte dies die Beziehungen zwischen den USA und Europa beeinflussen?
David Zahn: Ich denke, dass Biden generell viel stärker auf den Dialog mit Gruppen von Ländern setzt, um etwas zu erreichen, anstatt alleine zu handeln. Dieser Multilateralismus ist etwas, das Europa natürlich aufgrund der 27 Mitglieder der EU regelmäßig und gerne tut. Daher erwarte ich, dass die USA dies auch wieder tun werden. Nach meiner Auffassung ist Biden zudem ein Politiker, den die Europäer vielleicht etwas besser verstehen können als den vorherigen Präsidenten. Aus diesem Blickwinkel dürften die Diskussionen vermutlich etwas zielführender werden. Insgesamt dürfte dies also bedeuten, dass es ein besseres Einverständnis zwischen den USA und Europa und gemeinsame Schritte nach vorne geben wird.
Stephen Dover: Katrina, Sie erwähnten, dass ein Präsident Biden dem Pariser Abkommen wieder beitreten möchte. Können Sie etwas näher auf ESG-Investments oder Umwelt-Investments eingehen, und wie sich dieser Bereich ändern könnte?
Katrina Dudley: Ich denke, Bidens Programm ist viel, viel stärker auf eine umweltfreundliche Politik ausgerichtet. Wir haben das Potenzial für einen enormen „Green Deal“. Ich bin mir nicht völlig ganz sicher, dass er das durchbringen kann. Aber ich denke, die Stimmung und die Bereitschaft, in ein grüneres Amerika zu investieren, bringen uns stärker in Einklang mit der europäischen Politik. Europa hat seinen Aufbaufonds, und ein Großteil dieses Aufbaufonds – David nannte schon die zu verteilenden Zuwendungen – wird in Projekte gelenkt, die ein grüneres Europa schaffen. Zu nennen sind hier ökologisches Bauen, ökologischer Verkehr usw. Nach meiner Auffassung steht Bidens Umweltpolitik sehr viel mehr im Einklang mit der Umweltpolitik in Europa, und sein diplomatisches Auftreten und seine Beziehungen zu Europa werden für die Welt im Allgemeinen positiv sein.
Stephen Dover: Für unsere amerikanischen Zuhörer möchte ich noch anmerken, dass europäische Anleger, insbesondere auf institutioneller Seite, ein viel größeres Interesse an ESG-Investments haben. Diese Form der Investments ist also in Europa viel stärker vertreten als in den USA. David, wie bewerten Sie die Folgen für Umweltinvestments und vielleicht auch den Bereich grüne Anleiheninvestments in Europa?
David Zahn: Ich denke, dass zumindest die Fahrtrichtung der USA unter der Biden-Administration sehr stark im Einklang mit Europa stehen wird. Europa strebt die CO2-Neutralität bis 2050 an. Einige Ziele wurden sogar auf 2035 vorverlegt, um dies schneller zu erreichen. Hierfür werden enorme Geldsummen ausgegeben werden. Und auch für Privatpersonen, die in Europa investieren, ist dies unglaublich wichtig. Daher ist es besser für alle, wenn die USA und Europa letztlich am gleichen Strang ziehen.
Was den Markt für grüne Anleihen anbelangt, dort gibt es eine Explosion des Marktvolumens in Europa. Und ich denke, der europäische Markt für grüne Anleihen ist einer der robusteren. Denn es gibt einen starken Schwerpunkt nicht nur darauf, wie ein grünes Projekt angestoßen wird, sondern es gibt auch jährliche Updates, was tatsächlich getan wurde bzw. ob tatsächlich getan wurde, was vorgegeben war. Und die EU fördert dies stark durch ihren Rettungsplan. In den nächsten vier Jahren werden grüne Anleihen über 225 Milliarden Euro begeben. Das ist massiv. Da wird einiges angeschoben. Ich denke wirklich, dass Europa gerade zu einem zentralen Ankerpunkt für grüne Anleihen wird, doch die USA gehen absolut auch in diese Richtung und könnten dieser Initiative folgen. Das wäre großartig.
Stephen Dover: Es ändert sich also vieles an der Zusammensetzung des europäischen Marktes. Katrina, ich weiß nicht, ob die Anleger wirklich begreifen, wie stark sich der europäische Aktienmarkt verändert hat, auf dem Technologie nun 15 % des Marktes ausmacht und Gesundheit mittlerweile mit 16 % der größte Sektor ist. Vielleicht haben die Anleger noch das Bild eines älteren Europas und älterer Branchen im Kopf. Können Sie etwas näher darauf eingehen, wie sich der europäische Markt und die Zusammensetzung des europäischen Aktienmarktes gerade ändern?
Katrina Dudley: Bei Europa denken die meisten Anleger, wie Sie schon festgestellt haben, an Banken und große Ölgesellschaften, und diese beiden Sektoren sind mittlerweile nur noch ein kleiner Teil des Marktes. Europa investiert und hat, wie Sie sagten, viel Innovation und Wachstum in Technologieunternehmen, in Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich, hinter denen viel Innovation steht. Und überdies es gibt dort einen sehr, sehr dominanten Luxusgütersektor. Und das ist ein weiterer wachsender Marktbereich. Diese Wachstumsbereiche werden nach meiner Ansicht von manchem unterschätzt. Wenn sie auf Europa schauen, sehen sie die großen Ölgesellschaften und einen sehr, sehr großen Finanzsektor. Nach meiner Auffassung ist diese Wahrnehmung falsch. Diese Perspektive des Marktes, die vermutlich vor einem oder zwei Jahrzehnten noch zutreffend war, ist überholt und trifft heute nicht mehr zu.
Stephen Dover: David, wie sieht die Zusammensetzung bei Unternehmensanleihen aus? Wo sehen Sie Chancen, und wie schätzen Sie den Sektor ein?
David Zahn: In Europa hat sich der Markt für Unternehmensanleihen in den vergangenen fünf bis zehn Jahren wirklich stark verändert und hat sich viel stärker global diversifiziert. Da die EZB [Europäische Zentralbank] ihr Kaufprogramm fortsetzen wird, werden sich Investment-Grade-Anleihen aus unserer Sicht auch weiterhin gut entwickeln. Aber wir schätzen wirklich Banken, nachrangige Bank-Schuldtitel. Wir halten das für einen guten Bereich, aber auch Industriewerte halten wir für einen anderen guten Bereich, denn sie sind grundsätzlich das Rückgrat Europas, und sie müssen bleiben, sie müssen erfolgreich sein. Und die Regierungen werden dies sicherstellen.
Stephen Dover: David, kommen wir zu Ihrem Standort. Nach London, ins Vereinigte Königreich und zum Brexit. Präsident Trump befürwortete den Brexit ganz offen. Der künftige Präsident Biden sprach sich gegen den Brexit aus. Eines der Probleme beim Brexit war ein Handelsabkommen mit den USA. Das war für die Trump-Administration ein vorrangiges Thema. Für die Biden-Administration dürfte es kaum eine Priorität sein. Ich weiß nicht, ob wir gerade so viele Nachrichten über den Brexit bekommen wie in der Vergangenheit. Bringen Sie uns doch auf den neuesten Stand und geben Sie uns Ihre Einschätzung.
David Zahn: Die Brexit-Verhandlungen sind, auch wenn das Vereinigte Königreich die EU offiziell am Jahresanfang verließ, in einem Übergangsjahr, in denen es Handelsgespräche mit der EU gab, die noch nicht zum Abschluss gebracht wurden. Generell streiten sie über die gleichen Bereiche: Aufsicht, Fischerei usw. Nun haben wir schon den 15. November. Ein Datum, das sich beide Seiten gesetzt hatten und bis zu dem etwas erreicht werden sollte. Scheinbar ist Bewegung in die Sache gekommen, doch es gibt nach wie vor eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Vereinigte Königreich ohne Abkommen austreten könnte. Und das einzige unterzeichnete Handelsabkommen wäre dann das Abkommen mit Japan. Alles andere würde dann gemäß den Regeln der WTO [Welthandelsorganisation] ablaufen.
Ich denke, es wird enorme Anstrengungen geben, um vor dem Jahresende weitere Handelsabkommen zu schließen. Doch bekanntermaßen benötigen solche Abkommen viel Zeit. Ich denke, Biden wird den Fokus eher auf Europa als auf das Vereinigte Königreich legen. Er dürfte das Vereinigte Königreich zwar nicht aufgeben. Aber wenn er auf der Suche nach einem Partner auf Augenhöhe über den Großen Teich schaut, dann sieht er die EU. Und die USA dürften sich viel enger binden. Und da das Vereinigte Königreich kein Teil der EU mehr ist, wird es vermutlich leicht im Abseits stehen. Aus diesem Blickwinkel wird es nach meiner Auffassung vermutlich nach wie vor ein Handelsabkommen mit den USA geben, aber das Thema wird nicht ganz oben stehen. Es wird nur ein Punkt sein, der abgehakt werden muss. Aber das wird für einige Verzögerung sorgen. Und ich denke, dass die britische Regierung das vermutlich nicht möchte.
Stephen Dover: Katrina, den Brexit bis 15. November auszuhandeln, ist kaum möglich. Welche Chancen und Risiken sehen Sie diesbezüglich an den Aktienmärkten?
Katrina Dudley: Ich denke, dass Präsident Trump allen Unterhändlern der EU und des Vereinigten Königreichs beibrachte, wie man Twitter effizient einsetzt, um Botschaften an ein breiteres Publikum zu richten. Tatsächlich brachte der Präsident also einen Vorteil, aber es gab viele Twitter-Nachrichten. Wir haben viele Verhandlungen, die in der Öffentlichkeit und auch hinter den Kulissen stattfinden. Ich halte es für sehr schwierig, ein Handelsabkommen so schnell auf den Weg zu bringen, wie auch David bereits richtig sagte. Aus Sicht des britischen Marktes ist es tatsächlich interessant. Wir müssen uns wieder bewusst machen, dass der britische Aktienmarkt die britische Wirtschaft eigentlich nicht repräsentativ abbildet. Die meisten Unternehmen am britischen Aktienmarkt sind eigentlich globale Firmen, die den Großteil ihres Umsatzes außerhalb des Vereinigten Königreichs erwirtschaften. Daher kann das Vereinigte Königreich unter dem Brexit leiden, während der Aktienmarkt weiterhin gut funktioniert. Genau hier sehen wir mögliche Chancen. Betrachten wir den Abschlag, zu dem der britische Markt gegenüber dem Rest des Marktes gehandelt wird, sehen wir 10-Jahres-Tiefs. Gerade hier sehen wir potenzielle Chancen, um einige dieser inländischen Firmen zu kaufen, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes im Vereinigten Königreich erwirtschaften. Die Aktien wurden abgestraft, und wir denken, dass hier eine potenzielle Kaufchance für uns besteht.
Stephen Dover: Wenn es eine Lektion gibt, die wir immer und immer wieder lernen müssen, lautet sie, dass die Aktienmärkte nicht die lokale Wirtschaft abbilden. Wo eine Aktie gehandelt wird, hat an sich nichts mit der lokalen Wirtschaft zu tun. Daher müssen wir die Titel einzeln betrachten. Die Schlagzeilen drehen sich natürlich viel um die Beziehungen zwischen den USA und China, doch Europa führt seine eigenen Verhandlungen mit China. David, wie wird sich aus Ihrer Sicht die weitere Beziehung zwischen Europa und China entwickeln?
David Zahn: Das ist eine sehr gute Frage, denn ich denke, Europa fühlt sich ein wenig in der Zwickmühle. Auf der einen Seite die USA, auf der anderen China. Und Europa versucht, beiden Seiten zu gefallen, mit Abstufungen, denn es gibt in Europa verschiedene Länder. Es gibt viel mehr Länder, die auf China schauen. Und es gibt andere, die auf die USA schauen. Ich denke, dies ist ein heikler Drahtseilakt, denn es handelt sich um eine Gruppe von Ländern, die zusammengefunden haben. Ich denke, sie werden versuchen, sich nach beiden Seiten offenzuhalten und sich ihre Optionen zu wahren, anstatt sich für die eine oder andere Seite auszusprechen. Aber natürlich wird das im Bereich Technologie viel schwieriger werden, weil Technologie scheinbar der Knackpunkt zwischen China und den USA ist, und sie werden sich hier für eine Seite entscheiden müssen. Es wird interessant sein, die weiteren Entwicklungen hier zu beobachten.
Stephen Dover: Katrina, wie ist Ihre Sicht zu Europa und China? Nehmen wir Länder wie Deutschland, die aufgrund ihres Fertigungssektors stark vom Handel mit China profitieren. Wie schätzen Sie diese Beziehung für die Zukunft ein?
Katrina Dudley: Ich denke, dass das Nachlassen der Handelsspannungen für Europa gut und für Unternehmen, die Geschäfte mit China machen, besonders gut ist. Ich höre die Äußerungen zum Thema Technologie. Diese Debatte wird noch viel länger andauern. Zudem haben wir einen neuen Präsidenten, der viel versöhnlicher und viel stärker darauf fokussiert ist, Unternehmen und Länder zusammenzubringen. Und ich denke, das ist gut für Europa in Bezug auf seinen Wachstumsmotor – da Sie haben Sie natürlich Recht –, denn es profitiert davon, Produkte nach China verkaufen zu können, aber auch vom Verkauf von Produkten auf den US-Markt und auch in andere Schwellenländer sowie auch vom Verkauf innerhalb Europas selbst. Was den Ausblick für Europa anbelangt, sind wir positiv gestimmt. Einer der großen Treiber für die Wachstumserwartungen Europas sind für uns der europäische Aufbaufonds und die Investitionen, die getätigt werden. Wir könnten nun mit der zweiten [COVID-19-] Infektionswelle eine leichte Wachstumsdelle erleben. Doch da wir eine längerfristige Perspektive einnehmen, halten wir Europa im Hinblick auf seine Fähigkeit, schneller als in der Vergangenheit zu wachsen, künftig für gut aufgestellt.
Stephen Dover: David, falls Europa schneller wächst, wie sieht dann Ihr Ausblick für die künftige Inflation in Europa aus?
David Zahn: Ich bin in Bezug auf das Wachstum nicht ganz so zuversichtlich. Das ist vielleicht ein kleiner Unterschied zwischen uns. Nach meiner Meinung ist der EU-Aufbauplan großartig. Ich freue mich wirklich, dass das gemacht wurde. Doch ein Großteil des Geldes dürfte erst gegen Ende des nächsten Jahres zum Einsatz kommen. Deshalb wird es länger dauern, bis es im Markt ankommt. Demnach dürfte das Wachstum langsam sein. Ich denke, es wird vermutlich mehrere Jahre dauern, bis wir wieder auf dem Stand aus der Zeit vor COVID sind. Aber auch das sollte keine große Überraschung sein. Nach der globalen Finanzkrise dauerte es über ein Jahrzehnt, um wieder auf das vorherige Wachstumsniveau zurückzukehren. Was die Inflation anbelangt, so ist das Inflationsprofil in Europa tendenziell niedriger als in den USA. Die aktuelle Inflation in Europa liegt bei 0,2 [%]. Im Vergleich zu vor drei Monaten haben sich die Prognosen der EZB drastisch geändert. Laut EZB sollten wir 2022 auf 1,3 [%] kommen. Insgesamt erwarte ich eine ziemlich gedämpfte Inflation. Es gibt durch COVID und die Folgen für die Arbeitnehmer viele Disinflationseffekte, die die Inflation in Europa ziemlich niedrig halten werden. Aus diesem Grund dürfte die EZB weiterhin akkommodierend agieren und darauf hoffen, die Inflation zu erhöhen. Sie wünscht sich wahrscheinlich sehr, dass die Inflation mit einem Schlag auf 2,5 % steigt, doch ich denke nicht, dass das passiert. Deshalb wird sie auf Lockerungskurs bleiben und versuchen, dieses Niveau zu erreichen.
Stephen Dover: David, wie sollten die Anleger bei der niedrigen Inflation, den niedrigen Zinssätzen, die niedriger sind als in den USA und in manchen Fällen negativ, das Thema Anleihen-Investments angehen?
David Zahn: Ich denke, dass wir wirklich aktiv sein und beweglich bleiben müssen. Wie viel haben wir in Hochzinstiteln? Wie viel haben wir in Investment Grade? Nutzen wir andere europäische Währungen? Steuern wir unsere Duration effizient? Es wird wirklich darum gehen, einen aktiven Fokus zu haben und die sich bietenden Chancen auszunutzen, wenn es zu Volatilität oder einer angespannten Marktlage kommt. Ich denke, dass wir so Wert steigern können. Eine Wertsteigerung erreichen wir nicht einfach dadurch, dass wir europäische Benchmark-Staatsanleihen kaufen, denn hier werden wir kaum eine Rendite erzielen können. Doch wenn wir aktiv sind und die einzelnen Bereiche mit Chancen im Blick behalten, werden wir in Europa nach wie vor starke Renditen erzielen können.
Stephen Dover: Katrina, wo sehen Sie in Europa Chancen gegenüber anderen Regionen der Welt und wo bestehen aus Ihrer Sicht die besten Chancen?
Katrina Dudley: Ein Vorteil besteht darin, dass wir Stockpicker sind. Wir wählen also Titel ungeachtet des Landes, aus dem sie kommen, aus. Wir greifen immer wieder auf unseren zentralen Anlageprozess zurück, das heißt, wir betrachten Unternehmen mit wachsendem, nachhaltigem, ausschüttbarem freiem Cashflow und mit dem Katalysator, dass sie dies steigern können, und die aus unserer Sicht Bewertungen und Geschäftsaussichten haben, die viel besser sind, als sie durch den Markt eingepreist werden. Im globalen Vergleich möchte ich wiederholen, dass es derzeit gute Gründe für eine Anlage in Europa gibt. Ich bin Aktienanleger und betrachte die Dinge somit stets mit Zuversicht. Ich denke, dass wir uns hier von Anleihenanlegern unterscheiden, doch ich bin überzeugt, dass der Aufbaufonds beträchtliche Chancen bietet.
Gestern beispielsweise hatten wir ein Gespräch mit einem Unternehmen. Alleine Deutschland wird in den nächsten zehn Jahren mehr als 90 Milliarden Euro in sein Schienennetz investieren, und das wird einigen Aktien zugutekommen. Nicht nur diesen Aktien wird das zugutekommen. Sondern auch die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt werden profitieren, denn es macht den Schienenverkehr einer viel breiteren Personengruppe verfügbar. Alles wird viel grüner und freundlicher werden. Ich denke, dass der Aufbaufonds, auch wenn es möglicherweise eine Weile braucht, bis diese Mittel verteilt sind, tatsächlich einigen Unternehmen einen Impuls geben kann, um einige dieser Investitionen, die auf grüne Initiativen ausgerichtet sind und die Konjunktur nach der Pandemie ankurbeln sollen, auf den Weg zu bringen. Und das ist für Europa eine gute Sache.
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