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Koalitionsverhandlungen: Die Finanzierung von Deutschlands Zukunft erfordert Kompromisse

Deutschland könnte nach den Wahlen bald erstmals in der Geschichte des Landes von einer Dreiparteienkoalition regiert werden. Matthias Hoppe, Senior Vice President und Portfolio Manager von Franklin Templeton Investment Solutions, ist überzeugt, dass die Unsicherheit infolge der Koalitionsgespräche die Volatilität an den europäischen Finanzmärkten erhöhen wird, doch die wahre Herausforderung für die neue Regierung wird die Änderung der konservativen Haltung zu den Staatsausgaben sein, denn Deutschland ringt in Bezug auf die zunehmenden makroökonomischen Ungleichgewichte und das erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 mit der Wirklichkeit.

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Die Sozialdemokratische Partei (SPD) erhielt bei den Wahlen in Deutschland den größten Stimmenanteil, doch ohne absolute Mehrheit ist bisher noch nicht sicher, ob sie eine Koalitionsregierung im deutschen Parlament (Bundestag) anführen wird. Dieser Abschied von einer „großen Koalition“ der beiden größten Parteien, der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der SPD, tritt ein, da Angela Merkel nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin abtritt. Die kommenden Tage und Wochen werden die Bildung der Regierung sehen. Hierbei ist eine Koalition aus SPD, Grünen und Freier Demokratischer Partei (FDP) am wahrscheinlichsten, und falls Merkels CDU die Macht verliert, käme es zu einem neuen Ansatz bei den Staatsausgaben und der grünen Wende in Deutschland.

Die „Vergrünung“ der deutschen Wirtschaft erlangte im Mai dieses Jahres größere Bedeutung, als Merkels Regierung nach einem Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts, der die bestehenden Zielwerte im deutschen Klimaschutzgesetz hinterfragte, ihre Absicht kundtat, die Treibhausgasemissionen bis 2045 auf netto null zu senken.[1] Dieses überarbeitete Ziel verlangt eine viel raschere Reduzierung der Emissionen als im vergangenen Jahrzehnt und erfordert den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung in einem Maßstab, der viele politische, technologische und wirtschaftliche Hindernisse schaffen wird.

Das Rätsel der Finanzierung

Die „Net-Zero Deutschland“-Studie der Beratungsfirma McKinsey & Company prognostiziert für Deutschland einen Investitionsbedarf von 6 Billionen Euro, um die bestehende Infrastruktur zu ersetzen und zu unterhalten und dabei rechtzeitig die Umstellung auf Klimaneutralität zu erreichen.[2]

Derart umfangreiche Investitionen werden höhere Steuern oder höhere Schulden und möglicherweise eine Kombination aus beiden erfordern, denn die gegenwärtigen öffentlichen Nettoanlageinvestitionen Deutschlands (öffentliche Ausgaben abzüglich der Abschreibungen) sind viel niedriger als in zahlreichen anderen Industrieländern. Die Zuschüsse aus dem „Next Generation“-Aufbaufonds der Europäischen Union (EU) könnten einen Impuls setzen, würden die von McKinsey genannten notwendigen Ausgaben jedoch bei weitem nicht decken.

Aufgrund Merkels vorsichtiger Fiskalpolitik weist Deutschland eine solide Verschuldung (Verhältnis Schulden/Bruttoinlandsprodukt (BIP)) auf und hat viel Spielraum für eine deutliche Steigerung der Staatsausgaben. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob der politische Wille vorhanden ist. Die linksgerichteten Parteien sind offen für eine Veränderung, während die FDP private Investitionen bevorzugt. In einer Dreierkoalition dürfte einer der Juniorpartner den nächsten deutschen Finanzminister stellen und das Gleichgewicht zwischen staatlicher und privater Finanzierung stark beeinflussen.

Offenheit für fiskalische Veränderungen

Die deutsche „Schuldenbremse“[3] ist eine Verfassungsklausel, die das Haushaltsdefizit des Bundes auf 0,35 % des BIP begrenzt. Dies zwingt die Bundes- und die Länderregierungen zu ausgeglichenen Haushalten und verhindert hohe Staatsausgaben nach eigenem Ermessen. Die Corona-Pandemie löste eine Sonderklausel aus, die eine Lockerung der Schuldenbremse erlaubt. Daraufhin stieg das Defizit 2020 und 2021 erheblich und wird auch 2022 hoch bleiben. Infolgedessen wird die neue Regierung begrenzten fiskalischen Spielraum haben. Dies schafft insbesondere in Anbetracht der Bekenntnisse zur Klimaneutralität ein finanzielles Dilemma.

Ständige Änderungen der Schuldenbremse erfordern eine Verfassungsänderung, die eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments benötigt. Grüne und SPD würden eine Änderung befürworten, während FDP und CDU die Schuldenbremse beibehalten und die Staatsverschuldung verringern wollen.

Die Debatte um die Schuldenbremse wird durch die vorgeschlagene Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts beeinflusst, der dezentraler gestaltet werden und den EU-Mitgliedern erlauben könnte, ihre eigenen fiskalpolitischen Ziele zu setzen. Eine linksgerichtete deutsche Regierung würde eine lockerere Haltung befürworten und Reformen unterstützen. Falls jedoch bis zum kommenden Frühjahr keine Einigung über die Reform des Pakts erzielt wird, könnte dies die Fiskalpolitik in der EU 2023 einschränken und jegliche Pläne für höhere Investitionen des öffentlichen Sektors beeinträchtigen.

Handelsungleichgewichte

Deutschland ist dank der Globalisierung eines der wirtschaftlichen Kraftzentren der Welt, doch Investitionen in Digitalisierung, Technologie und Infrastruktur sind vonnöten, um das wachsende Handelsungleichgewicht zu China zu beheben und das Wachstum anzukurbeln. Deutschland ist von den Ausfuhren nach China abhängig, doch mit der Verbesserung chinesischer Technologie lässt die Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen nach.

In einer Analyse des Internationalen Währungsfonds[4] wird geschätzt, dass jegliche Steigerung der öffentlichen Investitionen einen anteilig größeren Effekt auf das reale langfristige BIP hätte und im Laufe der Zeit zu einer Verringerung der deutschen Staatsverschuldung führen würde. Ohne erhebliche Staats- und Investitionsausgaben könnten Deutschland und die Eurozone in der Weltwirtschaft nach Corona weiterhin die Nachzügler sein. Dies würde den Privatsektor weiter schwächen und dem deutschen Staat noch mehr finanzielle Lasten aufbürden.

Wie werden die Märkte reagieren?

Das Wahlergebnis dürfte aus unserer Sicht keine wesentlichen Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben, obwohl die von SPD und Grünen bevorzugte Politik wie z. B. Erhöhungen der Einkommensteuer und ein höherer Mindestlohn bei den Anlegern für schlechte Stimmung sorgen könnten. Die grüne Wende wird die Märkte ebenfalls beeinflussen und möglicherweise Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen wie etwa Fluggesellschaften und Transportunternehmen treffen. Dagegen dürfte die Möglichkeit engerer fiskalischer Bande innerhalb Europas den Handel in der Eurozone ankurbeln und einigen Bankaktien unter die Arme greifen.

Ein Linksschwenk der Politik dürfte die Volatilität an den Anleihenmärkten in Anbetracht der Unsicherheit rund um die Fiskalpolitik erhöhen. Dies könnte bedeuten, dass die deutsche Fiskalpolitik akkommodierender als in der Vergangenheit sein und somit die Nettoemission von Bundesanleihen gesteigert wird, die einen erheblichen Teil der Kaufprograme der Europäischen Zentralbank (EZB) ausmachen. Anhaltende EZB-Käufe dürften einen deutlichen Renditeanstieg verhindern und die Finanzierungskosten für Deutschland beherrschbar machen, auch wenn dies nur funktioniert, wenn das Vertrauen in die Bundesrepublik Deutschland als Schuldner mit der besten Bonität gewahrt bleibt.

Welche Risiken bestehen?

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[1] Quelle: Pressemitteilung Nr. 31/2021 des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021, „Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich“.

[2] Quelle: McKinsey & Company, „Deutschland kann bis 2045 Nullemissionsziel kostenneutral erreichen“, 10. September 2021.

[3] Quelle: Deutsche Bundesbank, „Deutsche Schuldenbremse: zur Überwachung durch den Stabilitätsrat“, April 2019.

[4] Quelle: IWF-Blog, „Public Investment for the Recovery“, 5. Oktober 2020.